Offener Brief – Landrat – Oberbürgermeister – Katastrophenschutz bei Gefahr von radioaktiver Verseuchung – Bevorratung von Jodtabletten vor Ort

BI WAA NAA IPPNW Jodprophylaxe im Falle einer Atomaren Katastrophe-1 3.5fin 1S.

Weiden/Neustadt 13.04.2016
Offener Brief –
Katastrophenschutz bei Gefahr von radioaktiver Verseuchung

– übergeben am 14.04. bzw. am 18.04.2016

(Offener Brief Katastrophenschutz bei Gefahr von radioaktiver Verseuchung mit Unterschriftenliste zum downloaden
Bitte Text auf Vorder-und Rückseite komplett auf ein Blatt ausdrucken und mit Unterschriften  einsenden an:
BI gegen atomare Anlagen Weiden-Neustadt/WN, Mühlberg 12, 92702 Kohlberg)

von
BI WAA NAA – BI gegen atomare Anlagen Weiden-Neustadt/WN und IPPNW

Mühlberg 12,                                                                                                           Untere Bachgasse 15,
92702 Kohlberg 92637 Weiden
mail to: kontakt@biwaanaa.de                                                                              mail to: s.ploedt@gmx.de

An die
Katastrophenschutzbeauftragten der Stadt Weiden und des Landkreises Neustadt a. d. Waldnaab
Herrn Oberbürgermeister Kurt Seggewiß und Herrn Landrat Andreas Meier

Sehr geehrter Herr Landrat,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister!

Bereits im Herbst 2013 erkundigten wir uns bei Ihren zuständigen Mitarbeitern über den Schutz  der Bevölkerung bei einer atomaren Katastrophe, sowohl persönlich, als auch schriftlich. Damit bekamen wir einen Überblick welche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vorgesehen sind.
Von Seiten des Landratsamtes liegt uns eine schriftliche Erklärung dazu vor. Von Seiten der Stadt Weiden können wir uns auf den Sachstandsbericht zum Antrag von Bündnis 90/Die Grünen vom 04.04.2012  beziehen.

Wir fassen diese Information nachfolgend zusammen:

Unter dem Strich reduzieren sich die Schutzmaßnahmen auf den Katastrophen-Sonderplan für die “Verteilung von Kaliumjodidtabletten”.

Was wir hieraus erkennen können ist, es werden im Bedarfsfall – und hier muss es sehr schnell gehen, denn die Einnahme muss erfolgen, bevor ein radioaktiver Fallout die Region erreicht – Kaliumjodidtabletten aus dem für uns zuständigen Zentrallager abgeholt. Nach Auskunft des Landratsamtes befindet sich dies in Cham, die Stadt Weiden erwähnt das ehemalige Hilfskrankenhaus Roding als Zentrallager.

Über die Feuerwache Weiden werden die Tabletten dann an die Landkreise, sämtliche Apotheken im Stadtgebiet und die Ortsteilfeuerwehren zur Ausgabe an die Bevölkerung verteilt. Die öffentlichen Medien werden dies bekanntgeben.

In den Bedarf werden laut Stadt Weiden  Bürger unter 45 Jahren einberechnet – die Ausgabe erfolgt nur an volljährige Personen unter Vorlage des Personalausweises, für die ganze Familie holt eine Person das Präparat.

Kann das überblickt werden? Wie belege ich die Anzahl der Familien-/Haushaltsmitglieder und deren Alter? Wie wir der Bedarf aktualisiert – Flüchtlinge…? Ist eine gleichberechtigte Verteilung möglich? Ist der Vorrat ausreichend?

Bei diesem Szenario muss man natürlich auch bedenken, dass im Falle der Gefahr radioaktiver Verseuchung immer empfohlen wird, nicht ins Freie zu gehen, ganz abgesehen von durchaus nicht unvorstellbarem Panikverhalten der Bevölkerung, Zusammenbruch des Verkehrs, der Stromversorgung…

Die Gefahr von terroristischen Anschlägen auf Kernkraftwerke ist durchaus nicht auszuschließen – die Berichterstattung zu den Terroranschlägen in Brüssel (z.B.  ein besonders aktives Mitglied einer Terrororganisation arbeitete als Sicherheitstechniker im AKW Doel* seit 22.03.2016 und eigentlich auch schon vorher) zeigt das deutlich. Dadurch erhöht sich die Wahrscheinlichkeit einer Atomkatastrophe neben den Risiken, die schon durch den  Betrieb der Atommeiler vorhanden sind, um ein Vielfaches.

Wir verstehen nicht, warum man die Verteilung der Kalium-Jodidtabletten so umständlich und unsicher organisiert. Mit etwas Fantasie kann man sich sehr gut ausmalen, wie diese Verteilung nicht gelingt – es gibt hierzu, soweit uns bekannt, auch keine Katastrophenschutzübung.

Von einer Übung hierzu allerdings wissen wir, sie wurde in Aachen durchgeführt. Der Feuerwehr-Chef stellte nach unserer Information nach der Übung fest, dass man weder 240 000 Einwohner evakuieren kann, noch Jod-Tabletten rechtzeitig verteilen kann.  Unsere Region wird als außerhalb der Fernzone der umliegenden AKWs betrachtet. Weitere Schutzmaßnahmen wie Evakuierungen sind nicht vorgesehen, eine Unterbringung in Schutzräumen nicht möglich.

Dass eine radioaktive Wolke nicht nach 100 km Halt macht hat uns die Katastrophe des Tschernobyl-SuperGAUs nur zu deutlich gelehrt.Gerade das Fehlen der Jodprophylaxe führte in den stark betroffenen Gebieten zu einem immensen Anstieg von Schilddrüsenkrebs, vor allem bei Kindern und Jugendlichen. (Die Bundesregierung hat keine Quellterme für den Fallout von Tihange und Temelin nach SuperGAU. Hier ein Quellterm des Boku Wien bei Greenpeace am Beispiel Fessenheim: flexRISK Fessenheimhttp://www.aarhus-konvention-initiative.de/wortpresse/wp-content/uploads/2016/02/flexRISK-Fessenheim.pdf) Wie eine radioaktive Wolke aus einem AKW in Südbayern oder Tschechien… den Fallout zu uns bringt, kann man sich ausmalen.

Die Jodprophylaxe ist also die (einzige) für uns vorgesehene Schutzmaßnahme bei einer atomaren Katastrophe. Warum haben wir nicht die Möglichkeit Kaliumjodid zuhause zu bevorraten? Wieso gibt es keine Vorräte in Apotheken, Schulen, Kindergärten Betrieben, öffentlichen Einrichtungen…   Österreichischen Bürgern wird dies gewährt, uns wird das versagt.  – Selbst der Kauf dieses Präparats ist in Deutschland nicht möglich. Apotheken, sofern sie dazu bereit sind,  müssten es aus Österreich bestellen und weiterverkaufen.

Viele Bürger haben den Eindruck, diese möglichen Situationen werden bewusst ausgeblendet.  Es geht hier nicht um Angstmacherei, sondern darum, dass die Vernunft gewinnt, und dass zumindest das getan wird, was getan werden kann.

Wir bitten Sie, als unsere Katastrophenschutzbeauftragten setzen Sie sich mit allen Ihren Möglichkeiten jetzt dafür ein, dass zumindest das ermöglicht wird, was ermöglicht werden kann, nämlich die vorsorgliche, gleichwertige, gleichberechtigte Versorgung der Bevölkerung mit Kaliumjodid, orientiert am Beispiel Österreichs.

Natürlich wäre es ein Fehler sich zu beruhigen, zu glauben, bzw. zu vermitteln,  die Einnahme von Jodtabletten würde vor allen schädlichen Auswirkungen einer radioaktiven Kontamination schützen  – mit der Jodprophylaxe wird nur ein kleiner Teil der gesundheitlichen Bedrohung gemindert, dennoch muss sie ermöglicht werden.

Dass es keinen wirklichen Schutz vor einer Atomkatastrophe und deren Auswirkungen gibt ist zu erkennen, deshalb müssen wir alle dafür Sorge tragen, dass die laufenden Atommeiler stillgelegt werden – keine Laufzeitverlängerung, auch nicht im Ausland. Aachen klagt mit Greenpeace Belgien für eine Stillegung der belgischen Reaktoren. Die bayerischen Städte und Landkreise sollten sich sich gegen eine Laufzeitverlängerung alter Meiler in den Nachbarstaaten – aktuell Dukovany –  zusammenschließen und einsetzen. Nicht zu vernachlässigen die defekte Schweißnaht in Temelin I.

Wir bitten Sie als oberste Katastrophenschützer des Landkreises NEW, der Stadt Weiden, sich den im obigen Text aufgeworfenen Fragen zu stellen, sich für eine Kaliumjodid-Bevorratung am Beispiel Österreichs einzusetzen, bzw. mittels einer Katastrophenschutzübung zu ergründen, wie bzw. ob denn eine ausreichende Kaliumjodidtabletten-Ausgabe im Katastrophenfall funktionieren kann. Desweiteren, ob dies denn überhaupt von den vorhandenen, größtenteils freiwilligen, Rettungskräften geleistet werden kann? Man beachte: Für Rettungskräfte z.B. von der Freiwilligen Feuerwehr, gilt bei Menschenrettung zusätzlich zur bereits gegebenen Belastung ein Höchstbelastungswert von  einmalig 250 mSv pro Einsatz und Leben.  (Quellen: Temelin Tihange Temelin Fessenheim Pleiten Pech und Pannen** Hier Temelin und Dukovani Pleiten Pech und Pannen ***). Bei vorrätiger Lagerung und Abgabe von Kaliumjodidtabletten könnte den Rettungs-
kräften die Kontamination während des bislang vorgesehenen Verteilvorgangs schon mal erspart werden.

Anhand dieses Fragenkatalogs ****könnte sehr schnell ein Überblick geschaffen werden. Nach unseren Informationen haben sich die zuständigen Stellen  des Landkreises Wundsiedel bereits damit befasst.

Bitte nehmen Sie unseren Offenen Brief als konstruktiven Vorstoß für mehr Sicherheit und schnelleres Abschalten der noch in Deutschland und in den Nachbarstaaten laufenden Atommeiler.

Gerne sind wir zu einem Gespräch bereit.

Dieser offene Brief ist Grundlage einer Unterschriftenaktion bei unserer gemeinsamen Mahnwache am 23.04.2016 in Weiden.

Mit freundlichen Grüßen
BI gegen atomare Anlagen Weiden-Neustadt/WN       IPPNW Weiden
www.biwaanaa.de

gez. Hilde Lindner-Hausner                                          gez. Dr. Sieglinde Plödt

* http://www.deutschlandfunk.de/kraftwerke-in-belgien-angst-vor-der-schmutzigen-bombe.795.de.html?dram %3Aarticle_id=348734
**http://biwaanaa.de/DE/wp-content/uploads/2016/09/20160219_Temelin_Konferenz_2016_DE_Flyer2.pdf
***http://aarhus-konvention-initiative.de/wortpresse/wp-content/uploads/2016/02/20160410_Temelin_Konferenz_2016_DE_Flyer-2.pdf

****http://biwaanaa.de/DE/wp-content/uploads/2016/02/20160204_Fragen-Katastrophenschutz-Wunsiedel1.pdf

 

(Offener Brief Katastrophenschutz mit Unterschriftenliste zum downloaden
Bitte Text auf Vorder-und Rückseite komplett auf ein Blatt ausdrucken und mit Unterschriften  einsenden an:
BI gegen atomare Anlagen Weiden-Neustadt/WN, Mühlberg 12, 92702 Kohlberg)

Zur Verwendung als Vorlage – offene Version: Katastrophenschutz bei Gefahr von radioaktiver Verseuchung inkl Unterschriftenliste
Bitte den örtlichen Begebenheiten anpassen, Verantwortlichen V.i.S.d.P. nicht vergessen!

Aktuelle IPPNW-Empfehlungen zur Jodblockade bei Atomreaktorunfällen