Hauptversammlung der RWE AG am 27. 04. 2017 in Essen

Maria Estl aus Pullenreuth nahm es auf sich, fuhr nach Essen, und sagte, was gesagt werden musste.

Rede von Maria Estl:

Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre, sehr geehrte Damen und Herren des RWE Aufsichtsrates und des RWE Vorstandes,

zunächst einige Infos zu uns:

Die bundesweiten Aktionsbündnisse gegen den überdimensionierten Stromnetzausbau hinterfragen kritisch die Netzentwicklungspläne, die diesen festlegen. Und die Aarhus Konvention Initiative (AKI) geht gegen die rechtswidrigen Grundlagen dieser Netzentwicklungspläne vor.

Hintergrund:

Wenn in Planungsverfahren Verfahrensfehler begangen wurden, die nicht „heilbar“ sind, also nicht korrigiert werden können, dann sind diese Projekte Schwarzbauten.

Darum geht es heute. Und da kann es für die RWE kritisch werden, denn einigen ihrer Projekte droht dieser Status: Schwarzbauten, da deren Planungsverfahren fehlerhaft, also nicht nach dem geltenden Recht der Aarhus Konvention, durchgeführt wurden. Deshalb sollten die Aktionäre über den Stellenwert dieses völkerrechtlichen Umweltabkommens informiert sein.

Mein Name ist Maria Estl.

Ich bin Mitglied im Aktionsbündnis gegen den Süd Ost Link und in der Aarhus Konvention Initiative (AKI). Zusammen mit meinem Mitstreiter vom Aktionsbündnis gegen das Ultranet konnte ich am Gegenantrag des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre mitwirken. Dafür danken wir dem Dachverband.

Ich stehe heute für die AKI hier. Sie ist eine im Kernland des Wackersdorf-Widerstandes gegründete Bürgerinitiative mit dem Ziel, die UN Aarhus Konvention vollständig in den Gesetzen für Umweltvorhaben umzusetzen. Die Konvention ist geltendes Recht, das wurde mehrfach durch den EuGH bestätigt. Sie gibt Individuen weitreichende, rechtsverbindliche Beteiligungs- und Klagemöglichkeiten bei Umweltvorhaben wie Stromtrassen, Braunkohletagebauen und vielen anderen mehr.

Auszug aus dem Gegenantrag:

RWE-Tochter Amprion (Anteil 25,1%) setzt mit dem Ultranet weiterhin auf den Bau von HGÜ-Stromleitungen. RWE sieht das als Standbein. Die gesetzlichen Planungsgrundlagen des Stromnetzausbaus im Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG) sind jedoch nicht rechtskonform, denn sie widersprechen der UN Aarhus Konvention, siehe Stellungnahme von Dr. Roda Verheyen. Die Konvention ist seit spätestens 2007 geltendes Recht in Deutschland. Wird die gesetzliche Grundlage dieser Planungen dem geltenden Recht nicht angepasst, werden die Stromtrassen zu Schwarzbauten, die wieder abgerissen werden. Damit wird das Kapital der Aktionäre, welches in diesen Vorhaben steckt, hochgradig gefährdet.

Der RWE Vorstand nimmt dazu Stellung, Auszug:

Die Amprion GmbH ist als unabhängiger Transportnetzbetreiber aufgestellt, und RWE übt über seine Minderheitsbeteiligung keinen unternehmerischen Einfluss auf die Geschäftspolitik der Gesellschaft aus. (……). Der Bau der Anlagen erfolgt auf Grundlage geltenden Rechts und erforderlicher öffentlich-rechtlicher Genehmigungen.

Seltsam, noch im Jahr 2015 sagte RWE (Rolf Martin Schmitz auf der HV) zum rechtl. Zusammenhang mit Amprion:

„Netzausbau ist eines unserer Standbeine“

Frage 1 :

Ist das jetzt etwa anders? Die rechtliche Situation zwischen Amprion und RWE hat sich seit 2015 nicht geändert, die Sperrminorität von 25,1% bei Amprion besteht immer noch. Damit kann RWE Entscheidungen bei Amprion verhindern oder maßgebend beeinflussen. Ein „Standbein“ impliziert immer auch eine unternehmerische Einflussnahme.

Frage 2 :

Von welchem geltenden Recht spricht RWE? Welches Recht ist Grundlage der Planungen? Das Völkerrecht der Aarhus Konvention?

Nein, das kann es nicht sein, denn die vom EuGH gerügte mangelhafte Umsetzung der Aarhus Konvention ist noch gar nicht im Gesetz drin. Dabei handelt es sich um das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, dessen Verabschiedung heute erneut auf der TO des Bundestages steht.

Wie kommt RWE also zu dieser Aussage? Schlecht informiert oder wird das nur vorgeschützt?

RWE hat doch beste Kontakte zur Politik, auf die wird auch im neuesten Verantwortungs-Bericht, „Dialog führen“ Seite 66, hingewiesen.

Und sowohl die Bundesumweltministerin als auch die Bundeskanzlerin sehen ein, dass völkerrechtliche Vorgaben umgesetzt werden müssen. Die Bundeskanzlerin gar befürchtet eine „Zweitverurteilung auf völkerrechtlicher Ebene“, wenn die Vorgaben der Konvention und des EuGH nicht fristgerecht im Umwelt-Rechtbehelfsgesetz verankert werden (Schreiben vom Sommer 2016).

Da müssten diese Fakten doch auch der RWE bekannt sein.

Wie sieht die AKI die Situation? Was wird jetzt unternommen?

Unser Ziel ist, – wie schon erwähnt- die Umsetzung der Aarhus Konvention in den Gesetzen. Deshalb wird Brigitte Artmann, Sprecherin und Gründungsmitglied der AKI, Beschwerde vor dem Aarhus Komitee in Genf einlegen. Sie wird durch RAin Dr. Roda Verheyen vor dem Komitee vertreten. Dr. Verheyen hat festgestellt, dass auch der aktuelle Entwurf des Umwelt- Rechtsbehelfsgesetzes nicht den Aarhus Vorgaben entspricht. Das erläutert sie in ihrer Stellungnahme zum Gesetzentwurf.

Eine Entscheidung des Aarhus Komitees in unserem Sinne wird RWE nicht nur in Bezug auf Stromtrassen tangieren, sondern auch auf Braunkohletagebaue, Atommüllentsorgungspläne und andere mehr. Alle diese Projekte haben ein hohes Potenzial, Schwarzbauten zu werden.

Brigitte Artmann hat bereits im Sommer 2016 ein Verfahren gegen die Erweiterung des tschechischen KKW Temelin vor dem Aarhus Komitee gewonnen.

Und RA Dr. Roda Verheyen dürfte für RWE keine Unbekannte sein, vertrat sie doch den peruanischen Bauern, der wegen des Klimawandels und die dadurch gefährdete Grundlage seiner Existenz RWE als Verursacher verklagte.

Sie hat zudem 1996-1998 die Aarhus Konvention mit verhandelt. Ein Portrait über sie im Zeit Magazin titelte mit „Wer sündigt, muss zahlen“

Fazit:

Die Roten Karten für RWE sind mehr als angebracht, denn RWE gefährdet durch seine Geschäftspolitik die Gelder aller Aktionäre.

Ein Vorstand, der in diesem Ausmaß sein rechtswidriges Verhalten ignoriert – aus welchen Gründen auch immer – verdient eine Entlastung durch die Aktionäre nicht. Wenn RWE mit allen Fakten im Geschäftsbetrieb in gleicher Weise umgeht, habe ich höchste Bedenken, den Vorstand zu entlasten.

Ich kann den Vorständen nur raten: Lassen Sie die Finger von den erwähnten Projekten, diese haben ein hohes Potenzial, Schwarzbauten zu werden. Den Aktionären rate ich dringend, diesen Vorstand nicht zu entlasten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.